Wahlkampf mit dem Tod
Riesenapplaus
für den Gouverneur von Texas und Präsidentschaftsanwärter Rick Perry bei
einer Wahlkampfveranstaltung im September vergangenen Jahres: "If you come into
our State", so der Republikaner, "and you kill one of our children, you kill
a police officer, you're involved with another crime and you kill one of our
citizens, you face the ultimate justice in the State of Texas, and that is:
you'll be executed." (0:40) Darauf erschallt frenetischer
Applaus.
Soviel ist klar: Die Diskussion um die Todesstrafe ist eine
politische. Solange mit dem Töten von Menschen Wahlkampfstimmen gewonnen werden,
liegt es nicht im Interesse der Politiker, die Todesstrafe abzuschaffen. Im
Gegenteil. Hinrichtungen generieren Wählerstimmen, also gilt es, das Prinzip
"Todesstrafe" hochzuhalten. Drakonische Strafen auf der einen Seite, politischer
Erfolg auf der anderen.
Das ist nicht nur menschenverachtend, sondern
eine zynische Umkehrung dessen, als was die Todesstrafe propagiert wird.
Nicht die Gesellschaft braucht die Strafe, das politische System braucht
sie, um sich immer wieder selbst zu legitimieren. "Panem et circenses",
lautet ein Ausdruck des römischen Dichters Juvenal, "Brot und Spiele" also, und
er bezeichnet den Zustand, wenn die Bürger eines Staates zufrieden sind,
solange sie genügend zu essen haben und gut unterhalten sind. Unterhaltung
meint freilich das schaurige Spektakel im römischen Zirkus, wo Menschen und
Tiere gleichermassen abgeschlachtet werden. Man kommt um den Vergleich nicht
herum: Im 21. Jahrhundert wird auch in Texas Politik gemacht, indem die
Bürger mit simplen Lebensweisheiten und einem einseitigen Weltbild gefüttert und
ihre grössten Ängste mit blutigen – wenn auch nicht öffentlichen –
Schauspielen scheinbar vertrieben werden. Gerechtigkeit, Sühne und Schutz
der Gesellschaft sind die Schlagworte, mit denen dieses politische Programm
angepriesen wird. Der Teufelskreis ist evident: In einer Gesellschaft, die
Mord mit Mord vergilt, ist das Töten allgegenwärtig. Die archaische Wucht
dieser Tötungsphantasien mag Rachebedürfnisse einzelner zumindest vorübergehend
stillen. Doch gleichzeitig schürt sie auch Angst. Wo es Gute und Böse gibt,
Täter und Opfer, Mörder und Gemordete, ist die Angst gross, selber vom Bösen
heimgesucht zu werden, die eigenen Kinder zu verlieren oder einen geliebten
Menschen. Und das wiederum kann nur heissen: Noch mehr und noch
drakonischere Strafen.
Da Politik die Ängste der Menschen bekanntlich
bestens zu benutzen weiss, erstaunt es nicht, dass einer wie Rick Perry
Wahlkampf mit dem Tod macht. Und genau darin liegt die Verlogenheit und der
Zynismus dieser Menschen.
(mf)
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