17.04.

Gedanken zur Brandursache

Wenn die verschiedenen unabhängigen Expertenberichte zur Brandursache aus jüngerer Vergangenheit Recht haben (wovon auszugehen ist), liegt im Fall Todd Willingham keine Brandstiftung vor. Willingham ist demnach unschuldig verurteilt und hingerichtet worden. Doch die Frage bleibt: Was ist an jenem Morgen des 23. Dezembers 1991 in Willinghams Haus in Corsicana geschehen? Weshalb fing das Haus Feuer? Weshalb ist Todd Willingham nicht rechtzeitig aufgewacht?

Es kann nur spekuliert werden. Glauben wir Willinghams Aussage, so ist er an jenem Morgen um 9.13 aufgewacht, hat den jüngeren Zwillingen die Flasche gegeben und ist, nachdem die zweijährige Tochter Amber nicht mit ihm spielen wollte, wieder zurück ins Bett. Den Ausbruch des Feuers hat er verschlafen. Waren Drogen im Spiel? Warum ist er nicht aufgewacht?

Das sogenannte "Lime-Street-Experiment" – ein berühmt gewordenes Experiment von Feuerexperten, in einem ähnlich gelagerten Fall 1990 die Brandursache zu klären – hat gezeigt: Es dauert nur knapp vier Minuten, bis ein Feuer das so genannte "Flashover"-Stadium erreicht hat und sich explosionsartig ausbreitet. Nach dem "Flashover" ist das ganze Haus ein einziger Feuerball. In Willinghams Fall, seiner Aussage gemäß, ist ein Flashover erst eingetreten, nachdem er das Haus bereits verlassen hat. Es dürften bis dahin also etwa vier Minuten vergangen sein – vom Zeitpunkt des Brandbeginnes. Mehrere Augenblicke lang hat Willingham zuvor im Haus nach seinen Kindern gesucht. Allzu lange kann er also nicht im Feuer geschlafen haben.

(Willinghams Schlafgewohnheiten lassen sich im Übrigen leicht erklären, wenn man bedenkt, dass die beiden einjährigen Zwillinge nachts mehrmals aufgewacht sind und betreut werden mussten. Schreiende Zwillinge in der Nacht, ein junger Vater – da kann man morgens schon sehr müde sein.)

Die Frage bleibt: Wie ist der Brand entstanden? Hier sind nur Hypothesen möglich. Eine davon könnte lauten: Die älteste Tochter, Amber, hat beim Spielen das Feuer verursacht. Weder Willingham noch die Strafverfolger sind je davon ausgegangen. Zumindest finden sich keine Hinweise in den Akten. Einige Indizien legen den Schluss jedoch nahe:

1. Amber war die einzige Person, die zum Zeitpunkt des Brandbeginnes wach war.
2. Amber hat in ihrem Zimmer gespielt. Im selben Zimmer, wo die Zwillinge waren.
3. Willingham hat in diesem Zimmer die meisten Flammen gesehen und ist selber davon ausgegen, dass der Brand hier entstanden sei.
4. Die Kinder hatten eine Plastikküche (TIKES KITCHEN) als Spielzeug. Kann ein Kind nicht auf die Idee kommen, im Plastikbackhofen ein Feuer zu machen oder den Plastikgrill mit Zündhölzern anzustecken?
5. Ambers Ruf "Daddy daddy" hat Willingham aufgeweckt. Seiner Meinung nach wollte sie ihn vor dem Feuer warnen. Warum hat sie nicht schon früher gerufen? Hat sie etwa erst selbst versucht, das Feuer zu löschen? Wollte sie ihn nicht vielmehr zu Hilfe rufen als ihn zu warnen?

Man weiß es natürlich nicht.

Es finden sich jedoch bemerkenswerte Parallelen in einem Fall, der sich jüngst in Aachen, Deutschland, ereignet hat. Hier haben Kinder einen Brand verursacht, in welchem sie zu Tode kamen. Die Eltern, die sich im Haus befanden, haben das Feuer erst bemerkt, als es schon zu spät war.

Man muss nicht auf Drogen sein, um den Beginn eines Brandes zu versäumen. Das "Lime-Street-Experiment" hat gezeigt: Brände fangen harmlos an, im Kleinen, und dann geht plötzlich alles ganz schnell.

Zum Lime
Street-Experiment:

Hausbrand in Aachen:
(mf)

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